Schweißhunde – Hannoverscher Schweißhund (HS) und Bayerischer Gebirgsschweißhund (BGS) – erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Fand man diese Tiere bis vor ca. 15 Jahren ausschließlich in den Händen weniger Jäger (meist Forstleute oder Berufsjäger), sieht man sie heute häufig und auch bei Nichtjägern, besonders den BGS. Er stellt quasi die kompakte Ausführung von Vizsla und Rhodesian Ridgeback dar: kurzhaarig, athletisch, edel… wie auch immer. Denn leider ist hier die Optik oft das wichtigste Merkmal bei der Wahl dieser Rasse.
Welche Art Jagdhund sind Schweißhunde eigentlich? Es handelt sich um alte, hochspezialisierte Rassen, deren einzige Aufgabe darin besteht, verletztes Wild am langen Riemen nachzusuchen, damit es erlöst werden kann. Im Regelfall wird Wild auf der Jagd tödlich getroffen, manchmal läuft es auch noch bis zu 200 Meter, bevor es zusammenbricht (ähnlich dem geköpften Huhn, das noch flattert). Sterben dauert einfach einen Moment, die Vorgänge im Körper stoppen nicht unmittelbar. Diese sogenannten „Bergehilfen“ werden zwar bei Bedarf auch von Schweißhunden gemacht, sind aber nicht ihr Haupteinsatzgebiet. Der Spezialist ist gefragt, wenn die Verletzung nicht oder nicht sofort tödlich ist, sei es durch einen Verkehrsunfall oder einen schlechten Schuss. Letztere passieren guten Jägern ausgesprochen selten, viele brauchen über Jahre keinen solchen Hund als Hilfe.
Damit wird auch deutlich, dass diese Rassen nichts für den Durchschnittsjäger sind. Ihre Hundeführer stellen sich und den Hund in den Dienst anderer Jäger. Sie opfern viel Zeit, um den Hund gründlich auszubilden und auf hohem Trainingsniveau zu halten. Und danach benötigen sie viele Einsätze, damit der Hund in der rauen Praxis zum Meister heranreifen kann.
Erschwerte Suchen können am Riemen über mehrere Kilometer gehen, das Wild kann noch leben und fliehen: dann muss es der Hund abgeleint so scharf hetzen, dass es sich stellt. Nun darf der Hund nicht nachlassen, damit der Hundeführer aufschließen und das Wild erlegen kann. Der Mensch muss also körperlich fit und zeitlich sehr flexibel sein, damit er immer bereit ist, wenn ein Einsatz ansteht.
Schweißhunde werden von Spezialisten für Spezialisten gezüchtet. Einen Hund aus Leistungszucht erhält nur, wer einem Zuchtverband des Internationalen Schweißhundeverbands (ISHV) angehört. Mitglied kann man dort nur werden, wenn dem geplanten Welpen später auch ausreichend Arbeit garantiert wird. In der Regel sind das Forstleute, Berufsjäger sowie Jäger, die sich bereits einen „Kundenstamm“ mit einer anderen Rasse gebildet haben und die von ihrer Kreisjägerschaft unterstützt oder die von einem anderen Schweißhundeführer vor Ort aufgebaut werden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass sich möglichst viele der Nachkommen beweisen können und somit erneut nachweislich leistungsstarke, einsatztaugliche, gesunde Hunde in die Zucht gehen.
Natürlich sorgt diese rigide Vergabepraxis dafür, dass den Schweißhund ein Hauch des Exklusiven umweht. Zudem ist es wenig sinnvoll, überproportional viele Spezialistenteams an einem Standort zu versammeln: die Arbeit bleibt die gleiche, muss aber für alle reichen. Gut wird ein Hund ab 50 Einsätzen aufwärts im Jahr – je mehr, desto besser. Damit wird auch klar, dass es nicht zielführend sein kann, Schweißhunde mit gerade einmal 10 bis 20 Einsätzen pro Jahr flächendeckend auszubilden.
Wer das nicht versteht oder einsieht, sucht dann nach anderen Quellen, statt die Geduld aufzubringen, die Zuchtvereine von seiner Tauglichkeit zu überzeugen. Oder eine andere, ebenfalls geeignete Rasse für seinen geringeren Bedarf zu wählen: z.B. Bracken, aus welchen die Schweißhunde hervorgezüchtet wurden und deren Einsatzgebiet schon immer auch die Nachsuche war.
Die alternativen Quellen können sein:
FCI-Zwinger aus dem Ausland, die nicht dem ISHV angehören. Hier liegt der Schwerpunkt meist eher beim Ausstellungswesen, als bei der Leistungszucht. Trotzdem sind diese Hunde regulär ausreichend veranlagt und werden bei entsprechender Führung und Einsatz auch rassetypische Leistung bringen. Sie sind zu den Verbandsprüfungen des JGHVs zugelassen.
Weit mehr Hunde stammen aber aus deutschen Dissidenzvereinen (die nicht dem VDH angeschlossen sind). Hier kann jeder sein eigenes Süppchen kochen, Vereinsgründung ist kein Hexenwerk. Was da dann gezüchtet wird, mit welchem „Material“, mit welchem Anspruch, mit welchem Ziel, unterscheidet sich teilweise gravierend. Die Bandbreite reicht von engagierten Nachsucheführern, die ihre Hunde umfassend ausbilden und im Verein vernünftig durch unabhängige Richter prüfen, bis zu fragwürdigen Gruppen: wenn jemand mit dem Prüfungsobmann und oder Richter direkt verwandt ist oder dieser den Hund selbst gezogen hat bzw. den Deckrüden besitzt oder gar alle Posten in Personalunion stellt, klingt das wenig überzeugend.
Ebenfalls merkwürdig wird es, wenn Verbände mit „Papieren“ werben, sogar darauf aufmerksam machen, dass es gefälschte FCI-Siegel gibt – diese Züchter aber selbst regelmäßig FCI-Hunde aus dem Ausland auf VDH-Schauen präsentieren, wo ihre eigenen Hunde gar nicht zugelassen sind (bzw. nur, wenn sie zuvor beim Zuchtbuch führenden Verein im VDH für mehrere hundert Euro phänotypisiert und mit einer Registerahnentafel ausgestattet wurden). Auch Zuchtstätten mit mehreren Schweißhunden, die alle “im ständigen jagdlichen Einsatz“ stehen, sollten einen Interessenten hellhörig werden lassen.
Extrem gefragte Nachsuchenführer haben vielleicht zwei ähnlich alte Hunde parallel im Einsatz, damit sie die vielen anfallenden Arbeiten erledigen können, ohne die Hunde auszulaugen. Das bedeutet aber, keinem weiteren Broterwerb nachgehen zu müssen und zu können. Vielleicht finden sich dort auch noch ein Senior und ein junger Nachwuchshund. Dann sind es vier – alles darüber hinaus ist mehr als kritisch zu hinterfragen. Auch wenn jemand argumentiert, dass Frau und Kinder ebenfalls alle einen Jagdschein haben und ständig nachsuchen, ergibt das immer noch keinen Stall voll Schweißhunde. So schlecht schießt die Jägerschaft nicht.
Aufgekommen ist diese Massenvermehrung durch die gestiegene Nachfrage. Die Vergabepraxis der VDH-Vereine macht die Rasse ungewollt exklusiv und manch einer meint, ein Schweißhund sei edler, besonders im Vergleich zu allen anderen Jagdhunden. Dabei ist deren Arbeit genauso wichtig und anerkennenswert. Aber wenn Mensch etwas partout will, spielt Geld eine untergeordnete Rolle – da darf der Schweißhund ohne FCI-Papiere locker über 50 % (und mehr!) teurer sein, als der mit ISHV-Papieren.
Das haben Geschäftemacher natürlich bemerkt. Plötzlich tauchten in den Kursen der Kreisjägerschaften immer mehr Jäger mit solchen Tieren auf. Leider (oder Gott sei Dank, je nachdem, wie man es betrachtet) sollten aber schon zu Beginn der Modewelle die wenigsten dieser Tiere ernsthaft nachsuchen: „Nein, ich brauche den Hund nur für mich!“. Bleibt für das Wild nur zu hoffen, der Jäger ist kein derart schlechter Schütze, dass er den Hund tatsächlich selbst auslastet.
Ein paar wenige dieser Jäger sind echte Enthusiasten, die „beim Kauf nicht richtig aufgepasst haben“. Liegen schon Erfahrungen vor (und entsprechend auch Kunden), können aus diesen Hunden durchaus zuverlässige Helfer werden.
Wirklich dramatisch wird es jedoch, wenn jemand ohne Erfahrung und ohne Mentor glaubt, er könne das Thema erschwerte Nachsuche autodidaktisch erarbeiten, sich dabei überschätzt und an Arbeiten wagt, die das Gespann nicht leisten kann. Oder nach erfolgloser Suche Aussagen tätigt wie „das wird das Tier ausheilen“ oder „ist nicht zu bekommen“ – ohne auch nur zu ahnen, was ein wirklich gutes Gespann leisten könnte. Übel für den beauftragenden Schützen, wenn dieser nicht weiß, dass dieses Gespann nicht aus Profis besteht (trotz professionell erscheinender Ausrüstung) und vollkommen unverantwortlich dem Wild gegenüber!
Nachdem die ersten papierlosen Hunde unters Volk gebracht waren, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch mit diesen „mal eben nur ein Wurf“ gemacht wurde. Und mittlerweile können auch Nichtjäger völlig problemlos einen solchen Hund erwerben. Die Kleinanzeigen sind voll von Schweißhundwelpen.
Bei den Nichtjägern entstand der Run auf diese Rassen mit dem Mantrail-Boom. Bloodhounds, die Personenspürhunde schlechthin, sind groß, schwer und stark – das macht das Handling ihres Dickschädels nicht einfacher (dazu der berüchtigte und gewöhnungsbedürftige „Bloodhound-Slobber“). Was liegt also näher, als auf die kleineren, leichteren und damit vermeintlich handlicheren Schweißhunde auszuweichen?
So wichtig Menschenrettung ist: bei der schier unendlichen Masse an privaten Rettungshundlern ist kaum zu eruieren, wer diesen Job ernsthaft und ausdauernd betreibt. Für die Zucht sind die dorthin abgegebenen Hunde so oder so verloren und das sollte gerade bei einer eher kleinen Population dringendst vermieden werden. Daher gehen Welpen aus ISHV-Leistungszucht nur sehr sporadisch in Mantrailerhände und dann ausschließlich zu den Diensthund haltenden Behörden. Die privat trailenden Schweißhunde stammen zu 99,9 % aus anderen Quellen. Mit der Verbreitung in der RH-Szene kamen die Tiere dann in den Fokus der allgemeinen Hundemagazine und damit zu den reinen Familienhundhaltern. Ein Blick in die passenden Facebook-Gruppen bestätigt diese Entwicklung.
Taugt der Schweißhund denn als Familienhund? Je weiter er von der Leistungszucht weg ist, desto wahrscheinlich kann man diese Frage mit „ja“ beantworten. Denn welche Hunde fallen aus der offiziellen Zucht oder werden nach erfolgter Ausbildung doch noch abgegeben? Regulär sind es „Mängelexemplare“: mangelnde Wildschärfe, mangelnder Fährtenwille, mangelnde Fährtensicherheit, Probleme mit der Schussfestigkeit… Diese „Mängel“ vereinfachen für Nichtjäger die Haltung des Schweißhundes als Familienhund.
Möglicherweise handelt es sich bei den aussortierten Hunden jedoch um gesundheitliche Mängel, die dem intensiven Arbeitseinsatz entgegenstehen. Diese sollten auf keinen Fall vermehrt werden – aber auch darüber sieht manch einer aus Geldgier hinweg. Da Vererbung immer wieder für Überraschungen sorgt, kann man hier also nie auf der sicheren Seite sein.
Für den ernsthaften Rettungshundler sollten solche Hunde eigentlich keine Option sein. Für sie müssen – wie für den ernsthaften Nachsuchenführer – die wahrscheinliche Leistungsfähigkeit und Gesundheit an erster Stelle stehen. Das würde bedeuten: die Quelle kann nur ein FCI-Zwinger mit allen Gesundheits-, Prüfungs- und Arbeitsnachweisen sein. Allerdings erhält man dort einen auf Wild vorgeprägten Welpen, der möglicherweise eine enorme Wildschärfe entwickelt. Das macht das Trailen außerhalb bebauter Gebiete oder bei höherem Katzenaufkommen unter Umständen schwierig. Ebenfalls problematisch kann sich die rassetypische Zurückhaltung gegenüber Fremden bemerkbar machen. Mit entsprechendem Bedacht sollten Zwinger, Verpaarung und Welpe gewählt werden.
Dazu das Problem der Sprachbarriere und evtl. der Entfernung zum eigenen Wohnort – da kann ein Wurf ohne Papiere und dafür in Deutschland liegend schon verlockend sein. Doch auch bei ISHV-Hund x ISHV-Hund (aber eben ohne Papiere) wäre ich aus Erfahrung skeptisch. Denn wie konnte es passieren, dass diese Hunde bei Leuten außerhalb des Verbandes stehen? Was stimmt hier nicht?
Mein eigenes Exemplar aus einer solchen Dissidenzverpaarung war unglaublich eng gezogen: da wiederholten sich mehrere Ahnen mehrfach in der Ahnentafel und der Deckrüde hatte sogar einen Zuchtsperrvermerk im Papier (was ich mangels Sprachkenntnis nicht erkennen konnte). Glücklicherweise war mein Hund dank reichlich Praxis sehr leistungsstark, aber er kämpfte zeitlebens mit OCD, Mitralklappeninsuffizienz und einer Autoimmunerkrankung. Das wurde nur deshalb nicht zum Problem, weil nach einem Unfall mit Schwarzwild nahezu alle anfallenden Hatzen sowieso von unserem Loshund (quasi der Bodyguard für den suchenden Hund) übernommen werden mussten.
Als Nachfolger kam daher nur ein Hund aus der Leistungszucht in Frage, denn dort habe ich die höchste Wahrscheinlichkeit (natürlich ohne Garantie), einen Welpen mit allen wichtigen Anlagen zu erhalten. Zudem gibt es nach Ablegen der Vorprüfung in keinem Bundesland Einschränkungen bezüglich einer Anerkennung als revierübergreifendes Gespann.
Selbstverständlich wünsche ich jedem viel Freude an und mit seinem Schweißhund, egal woher dieser nun stammt. Trotzdem hoffe ich, dass der eine oder andere Interessent nach dieser Lektüre gründlicher darüber nachdenkt, ob es wirklich diese Rassegruppe sein muss und wenn ja, woher der Hund kommen soll.
Fotos:
Bayerischer Gebirgsschweißhund (Anke Lehne), Hannoverscher Schweißhund (Nadja Gruner), Bloodhound (Katrin Kolbe)