“Mein Hund frisst nicht gern Leckerchen – ein Problem im Antijagdtraining?” von Lara Steinhoff

Mein Hund frisst nicht gern Leckerchen

Zeigt ein Hund unerwünschtes Jagdverhalten, gibt es zahlreiche Herangehensweisen, dieses Verhalten für den Menschen kontrollierbar zu machen. Neben dem Training verschiedener Signale (z. B. Rückruf, Stoppen in der Entfernung) kann der Hund unter anderem lernen, die Wege nicht zu verlassen, in einem bestimmten Radius um den Menschen zu bleiben sowie Wild anzuzeigen.
Allen Optionen gemeinsam ist jedoch, dass erwünschtes Verhalten verstärkt werden muss, damit es zukünftig häufiger vom Hund gezeigt wird.

Die Art und Weise des Verstärkers kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen. So können neben Futter auch Spielzeug oder Umweltbelohnungen eingesetzt werden. Für das Gelingen des Trainings entscheidend ist, dass der eingesetzte Verstärker beim Hund tatsächlich Freude auslöst. Insbesondere beim Antijagdtraining bietet sich daher das Nutzen von Umweltbelohnungen an, wie das geruchliche Verfolgen einer Wild-Fährte oder das Beobachten von Wild.
Dennoch hat die Verwendung von Futter in bestimmten Situationen gleich mehrere Vorteile. So ist der Einsatz einfach und unabhängig von Umweltsituationen, es können viele Wiederholungen in kurzer Zeit trainiert werden und das Fressen kann beruhigend auf den Hund wirken. In diesem Zusammenhang kann das Fressen oder Nicht-Fressen von Futter auch ein guter Indikator für den Erregungslevel des Hundes sein und damit dem Trainierenden hilfreiche Informationen vermitteln.
Nimmt ein Hund kein Futter als Belohnung im Training an, können diese Vorteile nicht genutzt werden.

Doch losgelöst vom entgangenen unmittelbaren Nutzen für das Training kann das Nicht-Fressen von Futter auf indirektem Weg einen deutlich größeren Einfluss auf das Training haben als zumeist vermutet. Neben individuellen Vorlieben und rassetypischen Eigenschaften, die es zu berücksichtigen gilt, sollte beim Nicht-Fressen von Futter im Training der Gesundheitszustand des Hundes kritisch überprüft werden.
In vielen Fällen sind (chronische) Magen-Probleme ursächlich für das Nicht-Fressen von Futterbelohnungen. Vergleichsweise weit verbreitet ist beim Hund eine Überproduktion an Magensäure (Hyperazidität), die nicht nur zu Sodbrennen, sondern auch zu einer Entzündung der Magenschleimhaut (Gastritis) führen kann.
Diese körperliche Einschränkung wiederum zeigt sich in der großen Mehrheit der Fälle als „Bremse“ im Training, da sie nicht nur direkt durch den Wegfall von Futter als Verstärker das Training behindert, sondern auch indirekt zu einer herabgesetzten Reizschwelle und somit unter Umständen sogar zu einem stärkeren Jagdverhalten führen kann. 

Sind Ursachen in der Gestaltung des Trainings selbst ausgeschlossen, wurden bereits mehrere unterschiedliche hochwertige Futtervarianten getestet und kommen zu einem schwankenden oder wechselhaften Fressen von Futter(-belohnungen) Symptome hinzu wie

• Schmatzen bis hin zu einem würgenden Husten mit Erbrechen von Schleim oder Galle,
• säuerlicher Mundgeruch,
• nächtliche Unruhe, besonders in den frühen Morgenstunden,
• das zwanghafte Fressen von Gras, Erde, aber auch Zimmerpflanzen bis hin zu Gegenständen wie Teppichen sowie
• das anfallsartige Ablecken von Boden, Wänden oder Gliedmaßen (teilweise als „licky fits“ bezeichnet), ggf. verbunden mit einem vermehrten Abschlucken von Luft,

erhärtet dies den Verdacht, dass der Hund möglicherweise unter Magenproblemen leidet. Verbindet ein Hund die Aufnahme von Futter mit anschließendem Unwohlsein, kann dies zu einer sogenannten „erlernten Aversion“ führen – der Hund wird diese Futtersorte zukünftig nicht mehr fressen wollen. Typischerweise fressen betroffene Hunde eine neue Futtersorte nur wenige Male und meiden sie anschließend, was dazu führt, dass sie aus menschlicher Sicht schnell als „wählerisch“ oder „mäkelig“ bezeichnet werden.

Die genannten Symptome sind bei Hunden recht weit verbreitet. In vielen Fällen ist die Ausprägung aber nicht so stark, dass direkt eine Tierarztpraxis aufgesucht wird. Vielmehr tritt mit Andauern der Symptome häufig ein Gewöhnungseffekt beim Menschen ein und sie werden als normal erachtet oder als Eigenheit des Hundes angesehen. Daher sollten besonders TrainerInnen bei einem Verdacht gezielt nach diesen Symptomen fragen und die KundInnen an eine entsprechend qualifizierte Tierarztpraxis verweisen.
Dort kann je nach Patient neben eines genauen Vorberichtes und einer Allgemeinuntersuchung auch eine Blutuntersuchung, Kotuntersuchung, eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraums oder eine Magenspiegelung (Gastroskopie) erforderlich sein. Eine detaillierte Diagnostik ist hier sehr wichtig, da neben der Überproduktion von Magensäure auch zahlreiche andere Ursachen, wie beispielsweise das genaue Gegenteil – eine Unterproduktion von Magensäure – für die genannten Symptome in Frage kommen. Zudem können die Ursachen einer Magensäureüberproduktion selbst sehr vielfältig sein.

Ein großer Einflussfaktor auf die Magensäureproduktion besteht in der Fütterung. Da der Magen der Hauptort der Eiweißverdauung ist, regt ein hoher Eiweißanteil in der Fütterung ebenso wie Brühe und Salz die Magensäureproduktion an. Fettarme, breiige Mahlzeiten sind leichter verdaulich als fettreiche und große, feste Nahrungsbestandteile. Unverträglichkeiten bestimmter Futtermittel werden als weitere Ursache diskutiert.
Aber auch die Anzahl der Mahlzeiten spielt eine Rolle. Wird die tägliche Futtermenge auf ein bis zwei Mahlzeiten aufgeteilt, führt das zu einer relativ hohen Menge pro Mahlzeit, die schwerer verdaulich ist als kleinere Mengen. Mit einer ein- bis zweimal täglichen Fütterung gehen zudem längere Nüchtern-Phasen einher, die einigen Hunden Probleme bereiten. Beschwerden können außerdem entstehen, wenn Hunde bestimmte Fütterungszeiten gewöhnt sind und die Fütterung dann aus unterschiedlichen Gründen ausbleibt oder erst später erfolgt, z. B. weil die Menschen im Urlaub morgens länger schlafen.
Aber nicht nur die Fütterung, sondern auch andere körperliche Erkrankungen, bestimmte Medikamente und chronischer Stress können die Magensäureproduktion beeinflussen. Häufig ist eine Magensäureüberproduktion daher auch bei Hunden mit Problemverhalten und Verhaltensstörungen zu beobachten.

Konnte eine Überproduktion von Magensäure als Grund für die Beschwerden des Hundes festgestellt und keine weitere medizinische Ursache dafür diagnostiziert werden, sollte der Gehalt an Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten und Mineralstoffen im Futter professionell überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Nicht vergessen werden sollten in diesem Zusammenhang sämtliche Leckerchen und Kauartikel, die der Hund erhält. Viele Hunde profitieren von einer Aufteilung der Futtermenge auf vier bis sechs Mahlzeiten, die möglichst gleichmäßig über 24 Stunden verteilt werden. In manchen Fällen kann ein Futterautomat hier sehr nützlich sein. Ein aufsaugendes „Betthupferl“ in Form von Zwieback oder Reiswaffel mildert bei etlichen Hunden die Symptome. Zusätzlich können Ergänzungen wie Heilerde, Ulmenrinde, Eibischwurzel oder Kartoffelsaft Linderung bringen.

Zusammenfassend sollte das Nicht-Fressen von Futter im Antijagd-, aber auch allgemein im Training immer ernst genommen werden. Sowohl die Gestaltung des Trainings und der Erregungslevel des Hundes, aber auch seine Gesundheit und Fütterung sollten genau überprüft werden, um mögliche Hemmnisse des Trainingserfolgs möglichst frühzeitig zu erkennen und für mehr Wohlbefinden beim Hund zu sorgen.

https://www.pfoten-werkstatt.de/
Foto: 
Uwe Klemmer


In diesem Vortrag erfährst du, was du tun kannst, wenn der Grund für das Nicht-Fressen Aufregung ist:

2 Kommentare zu „“Mein Hund frisst nicht gern Leckerchen – ein Problem im Antijagdtraining?” von Lara Steinhoff“

  1. Update
    Hallo, ein Interessanter Artikel.
    Es gibt aber auch Hunde (meiner) der schlecht frisst und trotzdem gesund ist.
    Welche Ideen habt ihr dazu?

    1. Hallo Holger,

      ja, die gibt es – und die passenden Trainings unterrichten wir im Zusatzmodul Jgdverhalten!

      Herzliche Grüße
      Pia Gröning

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